Lutherstrasse 7, Wiesbaden

Als Peterson langsam wieder zu Bewusstsein kam, war das Erste, was er bemerkte, die SniperBugs, die jeden im Raum mit einem roten Laser auf Herz oder Hirn festgenagelt hatten.

Spätestens als einer der SniperBugs mit dieser typischen Stimme den Befehl gab, dass der Typ, der ihn ständig niedergeschlagen hatte, ihn losbinden sollte, war Peterson wieder hellwach. Soweit es die Umstände zuliessen.

Wenn er sich richtig erinnerte, war den SniperBugs das Sprachmuster irgendeiner früheren Schauspielerin gegeben worden. Eine rauchig flüsternde sexy Stimme. Die so gar nicht zu dem Job der SniperBugs passte. Wenn er sich nur an den Namen erinnern könnte?

Irgendetwas mit einem amerikanischen Präsidenten war da noch und Selbstmord wohl. Der Name lag Peterson auf der Zunge. Marrow, Marly … er kam einfach nicht drauf.

Zum Teufel auch, was machte er eigentlich hier? Darüber philosophieren welche Sprachmuster manche Bugs hatten? War er den völlig irre?

Genau genommen, hatte er durchaus Zeit, gerade erst war die eine Hand freigeworden. Den Knebel zog er sich selber aus dem Mund. Und verzichtete darauf, irgendetwas zu sagen.

Als die zweite Hand frei war, stand er einfach auf, drehte sich um, nahm dem Typen die Lehne aus der Hand mit der er zuletzt ohnmächtig geschlagen wurde und zog sie ihm mit Genuss über den Schädel.

»Keine unnötige Gewalt, Sergeant First Class Peterson.« war alles was Peterson zu hören bekam. Er hatte nicht vor in einen Gewaltexzess auszubrechen. Aber die Befriedigung, diesem blöden Arschloch die Nase zu brechen, konnte er sich einfach nicht entgehen lassen.

Obwohl allein die verführerische Stimme Peterson fast schon dazu animierte, noch einmal hinterherzutreten. Fast.

»Sie werden dringend in der Zentrale gebraucht. Im Reaktorraum von CERBERUS. Und nehmen sie Jackson mit. Wir kümmern uns um den Rest.«

Nun gut, es konnte ihm egal sein. Nicht egal war ihm, wie er Jackson vorfinden würde.  Hatte da nicht einer von Leiche mit dem Fleischmesser zerteilen geredet? Drei kleinere SpyBugs bildeten eine Eskorte für ihn, als er in den Keller hinabstieg. Ein immer noch bestialischer Gestank erfüllte den Raum, in dem die Leiche lag.
Zum Glück hatte niemand Jackson zerlegt. Aber musste der so stinken, verdammt noch mal. Und das auch noch verpackt! Das konnte ja ein Heidenspass werden, der Weg zur Zentrale. Wenn Jackson noch leben würde, dann würde er ihm das echt krumm nehmen.

Aber verdammt noch mal, Jackson war tot. Er roch auch wie die unangenehme Seite des Todes. Zumindest waren diese Typen so clever gewesen, aus mehreren stabilen Müllsäcken einen grossen langen Sack zu basteln, in dem sie Jackson verstaut hatten.

Also schleppte Peterson den Leichnam wieder hoch und raus bis zum Auto. Wo er ihn dezenterweise in den Kofferraum legte. Am liebsten hätte er auch noch den Kofferraum aufgelassen. Zur Entlüftung.

Egal! Fenster auf und ab zur Zentrale.

Unterdessen blutete Alex mit seiner gebrochenen Nase den Boden voll und getraute sich keinen Millimeter zu bewegen. Was auch für alle anderen galt.

Jeder wurde weiterhin von einem Laserpointer fixiert. Keiner getraute sich etwas zu sagen. Selbst gelegentliches Räuspern wurde weitgehendst unterdrückt. Und so ging das eine Ewigkeit. Zumindest erschien es jedem Einzelnen so.

Was unter den gegebenen Umständen mehr als verständlich war. Da sind schon Sekunden lang. Aber wer hält mehr als zehn Minuten aus?
Alex war zu sehr mit seiner Nase und der Hoffnung auf ein Ende der Blutung beschäftigt, als das ihn irgendetwas anderes im Moment interessiert hätte. Herbert versuchte verzweifelt zu einem gewissen Stoizismus zu gelangen und verfluchte sich innerlich, ob seiner Unfähigkeit.

Susanne konnte und wollte es nicht fassen, dass sie jetzt hingerichtet würden. Oder was auch immer. Verhaftet im günstigsten Fall. Willy war immer noch im Koma, von daher ging es ihm Bestens. Burkhard kniff zuerst die Augen zu und erwartete den todbringenden Schuss. Aber nach einer Minute, spähte er aus den Augen und dachte sich »So schlimm kann es wohl nicht werden!«

Claudia war unfähig einen zusammenhängenden Gedanken zu fassen und Stefan war kreidebleich. Der eine Teil der Gruppe wurde mit vergehender Zeit immer gelassener, während der andere Teil der Gruppe immer ängstlicher und innerlich panischer wurde.

So verwunderte es auch nicht, das einige mehr als nur zusammenzuckten, als die verführerische Stimme des SniperBugs ertönte.

»Ihr müsst euch schnell entscheiden. Es gibt keine Sicherheit mehr für euch. Vielleicht einen Fluchtweg. Folgt dem Smarty von Herbert, wenn ihr eine Chance haben wollt. Beeilt euch!«

Nach der Schrecksekunde und dem Erkennen, dass sie nicht mehr als Ziele markiert waren, erfolgte ein wüstes Durcheinander von Worten und Gesten. Bis Susanne

»Stop!« rief.

Während Susanne Herbert einfach das Smarty aus der Hand nahm, um zu sehen, was da vor sich ging, starrten die anderen sie alle nur entgeistert an.

»Wenn ich das richtig verstehe, haben wir wenig Zeit und noch weniger Optionen. Lasst uns von hier verschwinden, sage ich. Und zwar bald. Nein, nicht bald. Jetzt!«

Falls Susanne gehofft hatte, dass alle einmütig »Ja denn mal los!« riefen, wurde sie auf ganzer Linie enttäuscht.

»Ja aber wenn …? hakte Stefan ein.

»Aber wenn was? blöckte Susanne zurück. »Wenn die KillBugs kommen, oder andere SniperBugs oder stinksaure Kollegen eines toten Mannes?«

»Ich warte auf die Polizei!« warf Claudia stur ein.

»Ich auch.« meinte Stefan. »Echt, es wird nur noch schlimmer, wenn wir davon laufen. Und wenn das eine Falle ist? Was dann?«

»Warum sollte das ne Falle sein?« warf Susanne streitlustig ein.

»Naja, könnte doch sein.« meinte Burkhard jetzt. »Das die uns für die Aktion nicht im Haus haben wollen? Uns vielleicht direkt auf den Todesstreifen locken. Dann braucht keiner weitere Erklärungen. Oder?«

Das Argument von Burkhard war nicht von der Hand zu weisen. Doch Herbert war sich klar, dass sie hier so oder so keine Sekunde lang mehr sicher wären.
»Ich gehe, macht und glaubt was ihr wollt. Schlimmer kann es nicht werden!« meinte Herbert und griff sich wieder das Smarty von Susanne. Dabei hatten sie noch nicht mal den Dunst einer Ahnung was schlimm bedeutete.

Klar, für sie war das alles schlimm. Die Kidz aus den Notstandszonen hätten sich im Gegensatz zu ihnen gefreut, noch am Leben zu sein. Und weitergemacht. Mit Überleben.

Alex hatte sich mittlerweile ein Küchentuch vor die Nase gestopft und stapfte zu Willy.

»Hilft mir jemand mit Willy? Ich lass ihn nicht hier!«

Burkhard, Stefan und Claudia machten keinen Mucks und schauten betreten drein. Susanne zupfte Herbert am Ärmel, während der versuchte aus dem Smarty schlau zu werden.

»Los komm, wir sollten hier weg! Zu dritt ist es einfacher mit Willy.« war alles was Susanne sagte, bevor sie tatkräftig mit Alex Willy packte. Alex hatte Willy unter den Achseln, während sein Blut aus der Nase auf Willys kauterisierte Wunde tropfte.

Susanne packte ein Bein und Herbert ein anderes. Als sie fertig zum Abmarsch waren, blickte Susanne nochmal auf die Ich-bleib-hier-Fraktion.

»An eurer Stelle würde ich mir das ganz schnell nochmal überlegen. Aber wie ihr wollt!

Wie zur Bestätigung meldete sich der SniperBug.

»Wir haben weniger Zeit als geplant. Eile ist geboten.«

Burkhard schaute ihnen fast sehnsüchtig hinterher. Sammelte Worte und Hoffnungen. Und brachte doch kein Wort heraus. Claudia war entsetzt ob des Irrsinns den diese vier weiter verfolgen wollten. Und die dabei auch noch den armen Willy mit hineinzogen.

»Ihr könnt doch nicht einfach so über Willy entscheiden. Was wenn er lieber hierbleiben würde?« gab Claudia zu Bedenken.

»Claudia! Wir haben keinen Zeit für den Quatsch. Wenn du dich selbst ausliefern willst, dann mach doch. Aber wir lassen Willy nicht zurück. Im Gegensatz zu dir hat Willy nicht nur rumgehockt, sondern einen NSA Ausweis stibitzt. Das ist sicher ein schlimmeres Vergehen als rumzuhocken und nichts zu tun!« meinte Alex aufgebracht.

Stefan war innerlich wie äusserlich immer noch kreidebleich und hoffte, dass dieser Alptraum endlich ein Ende nehmen möge. Wobei er seine Umgebung fast schon nicht mehr wahrnahm. Wie aus weiter Ferne hörte er noch die Stimme von Susanne als die vier den Raum verliessen.

»Ich hoffe für euch, dass ihr eure Entscheidung nicht bereuen werdet …«

Share