Stollen im Taunusgebirge

Nach der Trennung von Tim marschierten die Kidz rasch weiter.

Ehe sich Jacko versehen hatte, waren sie an einem altem gammeligen unscheinbaren Höhleneingang. Alles schien mit Plastiktüten vollgemüllt und vollgestopft. Zumindest bis man Jacko und Peer ebenfalls bat, sich am Freiräumen des Eingangs zu beteiligen. Und sich schon mal eine Plastiktüte für sein Hab und Gut suchen, dass man mitnehmen wollte. Was sie auch mit ihren Smartys hätten herausfinden können.

»Bescha, schpringsde nackd insch Wascha nachher, n’bischen dauchn un scho schimma da. Un dei Zeusch bleibd in dem Plasdikscheiss drockn.« hatte Vorlaut noch Jacko informiert.

Das konnte ja heiter werden. Gut das er und Peer schwimmen konnten, was heutzutage gar nicht mehr so üblich war.

Bald schon stand die ganze Truppe Kidz, die hierbleiben würde, nackt mit Plastikbeutel vor der alten Tür, die mit einem altmodischen Schloss gesichert war. Zumindest schien es so, bis die Tür geöffnet wurde. Es brauchte mehrere Kidz um die massive Bunkertür aufzustemmen. Und trotzdem blieb nur ein kleiner Spalt übrig, durch den man sich durchzwängen konnte, da die Tür nicht ganz aufgeschwungen werden konnte.

Kaum war man drinnen schien alles dunkel. Bis man sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte. Dann bemerkte man, das an den Wänden ein Moos wucherte, dass leuchtete. Und einem den Weg wies. Den Weg der nach unten führte und an einem Tümpel endete, wie Jacko erkannte. Mittlerweile waren alle Kidz im Gang und fingen an sich langsam zu stauen. Und mit einem Mal erstrahlte hinter ihnen Licht.

»Leuschtmoos ladn!« meinte Vorlaut auf eine Art, die klarstellte, dass man schon saublöd sein müsste, um das nicht zu verstehen. Jacko kam sich gerade ziemlich blöd vor.

Insbesondere weil Vorlaut mittlerweile in den Tümpel gesprungen war, nach dem er sich etwas von dem leuchtenden Moos geschnappt hatte. Jacko und Peer mussten sich beeilen, denn bevor sie begriffen hatten, was als nächstes folgte, war schon die Hälfte der Kidz abgetaucht, jeder zusätzlich mit etwas Leuchtmoos bewaffnet.

Also ging es munter hinterher. Tief einatmen war sicher angebracht. Die Leuchtschwämmchen der vor ihnen Schwimmenden gab ihnen eine ungefähre Richtung. Aber man konnte nicht sagen, dass man viel von der Umgebung erkennen konnte. Zuerst ging es weiter nach unten, zwei bis drei Meter, schätze Jacko, was sicher für manche der jüngeren Kidz recht hart werden würde. Danach ging es nach rechts und nach oben.

Und endlich Luft! Jacko füllte seine Lungen dankbar mit einem kräftigen Zug. Frisch konnte man die Luft nicht nennen, aber es war Luft, atembare Luft. Als Jacko sich umsah, bemerkte er, dass Peer noch nicht aufgetaucht war.

Also packte er sein Moos fester und bevor er es sich richtig überlegen konnten, tauchte er erneut ab. Das Wasser war mittlerweile voller Schwebeteilchen, die all die Kidz aufgewirbelt hatten. Jacko konnte nur noch vereinzelte Lichtpfützen von den ankommenden Nachzüglern erkennen.

Wie sollte er Peer hier finden? Man musste sich schon sehr nah kommen, um mehr als nur Schemen erkennen zu können. Aus irgendeinem Grund, den Jacko nicht benennen konnte, schwamm er in die Richtung der Lichtpfütze die ihm nicht entgegenkam, aber sich trotzdem zu bewegen schien.

Obwohl die Leuchtpfütze noch so fern schien, überraschte Jacko doch der Schlag einer wedelnden Hand, der unerwartet von links kam. Doch immerhin war Jacko trotzdem noch so geistesgegenwärtig die Hand einfach zu packen und nach oben zu schwimmen.

Zumindest es zu versuchen. Denn das war unerwartet schwer. Schwerer als sich Jacko das je vorgestellt hätte. Die Hand und alles daran zappelte wie wild und drohte ihn wieder nach unten zu ziehen. Ihm ging schon langsam die Puste aus. Am liebsten hätte er einfach losgelassen.

Neben Jacko schoss ein Schatten empor zu Licht und Luft, um gleich wieder an seiner Seite aufzutauchen. Erkennen konnte er niemanden, aber er wusste mit Sicherheit, dass es sich um Peer handelte. Das verdoppelte seine Kräfte und vereint schafften sie es, den Gott sei Dank noch zappelnden kleinen Körper, an die Wasseroberfläche zu bringen.

Der es ihnen jedoch nicht dankte und beharrlich versuchte weiterhin mehr Wasser zu schlucken als Luft zu atmen. Mit einem letzten Ruck hievten sie den Kleinen auf festen Boden, der sofort scheinbare Unmengen von Wasser erbrach.

Dann krabbelten sie selbst, völlig erschöpft, aus dem Tümpel. Bis jetzt hatten sie keine Zeit gehabt sich umzuschauen, aber klar war, dass sie nicht allein waren. Der Zappelfisch, den sie gerettet hatten, wurde bereits versorgt und sie ernteten anerkennende Blicke aus dieser Richtung.

Doch nicht aus allen Richtungen. Es gab hier die verschiedensten Menschen in den verschiedensten Kleidungen. Obwohl sie sich alle immer ähnlicher wurden, wie es schien. Denn wenn es nicht an dem schummerigen Licht lag, dann war sich Jacko sicher, dass alle Kleidung hier schon viel länger getragen und viel weniger häufig gewaschen wurde, als er das bis jetzt gewohnt war.

Langsam dämmerte Jacko, dass er im, Vergleich zu hier, in seinem früheren Leben, wie er es jetzt schon fast nennen musste, im Luxus geschwelgt hatte. Die Blicke schienen sich zwischen einem reichhaltigen Spektrum von »Noch mehr Mäuler zu stopfen!« und »Werden die mir meinen Platz strittig machen?« zu erstrecken.

Viele standen mit verschränkten Armen und zweifelnder Miene da. Einige eher lässig, andere eher verbissen. Und doch spürte er im Grossen und Ganzen ein darunterliegendes Wohlwollen. Nicht arglos, aber vorhanden. Die Vielzahl der Sprachen, die schon die ganze Zeit an Jackos Ohren drang, machte ihm bewusst, dass er hier in einer völlig neuen Welt gelandet war.

Er kannte einige der Kleidungsstile und Haartrachten von Bildern.

Juden, Moslems, und sogar Hippies mochten dies sein. Doch vieles war ihm fremd. Sollten dies die Überlebenden der Flüchtlingsheere sein, die das Land zerstört hatten, wie immer und immer wieder erzählt wurde? Zumindest in der Stadt. Dem einzigen Lebensraum, den Jacko und Peer vorher gekannt hatten.
Und langsam kamen Jacko auch wieder die Bilder in den Kopf, der islamische Staat und seine Köpfungs- und Steinigungsrituale, die immer wieder mal Thema waren in den Medien. Wenn er sich so umschaute, schienen doch viele eher Kaftans zu tragen. Stand ihnen das bevor? Mussten sie sich vielleicht zum Islam bekennen oder sterben?

Tausende Gedanken und Schrecken können nur wenige Sekunden füllen. Und für Jacko war dies so ein Moment. Als ob alles in Zeitlupe abliefe, wie langsam in Bernstein gegossenes Entsetzen. Hier waren sie, dieser Tim war nicht da, ihre Beute, der Ami, auch nicht. Am Arsch der Welt ohne eine vertraute Seele. Gestrandet in den Trümmern der Notstandszonen.

Doch immerhin war noch Vorlaut da, der ihn gerade am Arm zupfte und die Zeitlupe zum Verschwinden brachte.

»Hey Schalzschäule, komm!« hörte Jacko wie aus weiter Ferne und liess sich von Vorlaut durch die Menge führen. Natürlich erst, nachdem er sich, wie ein Schlafwandler, wieder seine Sachen angezogen hatte. Die Plastiktüte sollte er da lassen. Andere würden sie auf dem Weg nach draussen benötigen.

Die Stollen waren hier besser ausgebaut und ständig wehte ein leichter Wind. Es gab viele Verzweigungen, aber kein Überblick wohin welcher Gang führte. Zumindest nicht für Jacko und Peer zu diesem Zeitpunkt. Bis sie auf einmal in einer wahren Halle standen. Die Decke mochte drei bis vier Meter hoch sein. Die Halle war künstlich, daran gab es keine Zweifel. Und im Wesentlichen rund, mit einem Durchmesser von zwanzig bis dreissig Metern, schätze Jacko.

An einigen Spitzen, die die kumpelförmige Decke zierten, begannen sich Stalaktiten zu formen. Nicht das Jacko diesen Namen gekannt hätte, den man in früheren Zeiten den Tropfsteinen gab, die von der Decke nach unten wuchsen. Auch hätte Jacko nicht sagen können, dass die Gegenstücke, die vom Boden wuchsen, Stalagmiten genannt wurden. Das alles war unnötiges Wissen. Wissen das längst nicht mehr gelehrt wurde. Alles was Jacko merkte, war der Umstand, dass er direkt unter einem Tropfstein stand und ihn gerade ein fetter Tropfen in den Nacken getroffen hatte und ihm einen kalten Schauer das Rückgrat hinunter jagte.

Es schien hier so eine Art Aufnahmeprozedur in der Mitte der Halle stattzufinden. Soviel Jacko verstand, waren sie hier erstmal festgesetzt. Ein alter grauhaariger Mann im Kaftan, der überhaupt nicht ausländisch aussah und auch keinen typischen Bart trug, erklärte gerade, dass alle Neulinge für die nächsten Monate in dem inneren Höhlenkomplex bleiben durften und bleiben mussten. Für die meisten war dies eine Verbesserung ihrer Situation und kaum jemand spürte das Bedürfnis so schnell wieder nach draussen zu gehen und sich den ganzen Bugs, dem Hunger und den marodierenden Banden auszusetzen. Kaum jemand, ausser vielleicht Jacko.

Als hätte dieser alte Knacker Jackos Gedanken gelesen, kam er direkt auf sie zu.

»Vorlaut, du und die zwei Neuen! Ihr kommt mit mir!«

Sprach’s, drehte sich um und führte sie durch die Halle. Weitere Gänge die nach unten führten. Und eine weitere Sache die komisch war. Die auch zu den Hintergrundgeräuschen gehörte. Es war das Zwitschern von Vögeln. Neben dem Tröpfeln von Wasser und dem Grundrauschen der Gespräche. Als Jacko sich jetzt umschaute bemerkte er auch die Vogelkäfige, die überall die Gänge zierten.

»Wegen dem Gas.« meinte der Alte nur, als ob er tatsächlich Gedankenlesen könnte.

Doch mit der Antwort konnte Jacko nichts anfangen. Welches Gas? Warum gab es hier Gas? Das wurde ja immer ›besser‹! Peer und Jacko sahen sich vielsagend an und stapften weiter hinter Vorlaut und dem Alten her, die sich angeregt unterhielten.

Vorlaut erstattete Bericht und ergänzte die Sachen, die der Alte noch nicht wusste. Wobei erstaunlich war, wieviel der alte Knacker bereits wusste, den Vorlaut dauernd Vermittler hier und Vermittler da nannte. Obwohl das bei Vorlaut eher nach Vamiddla klang.

Mittlerweile waren sie in einem kleinen Alkoven gelandet und ihnen wurde freundlich nahegelegt Platz zu nehmen. Eine kleine LED-Lampe sorgte für etwas Licht, nachdem der Vorhang zugezogen wurde und das Grubenlicht der Gänge nur noch blass und schemenhaft hindurchschimmerte. Der Vermittler oder wie er auch immer heissen sollte, machte es sich in einem alten, mehrmals geflickten Schaukelstuhl gemütlich und warf ihnen prüfende Blicke zu.

»Da wären wir nun. Ich bin Heinrich, manche meinen, mich Vermittler nennen zu müssen …« bemerkte der alte Knacker mit einem spitzbübischen Seitenblick auf Vorlaut.

„Ich weiss über deine Situation Bescheid Jacko und werde dich auf dem Laufenden diesbezüglich halten. Dieser Tim hat schon einige Husarenstückchen abgezogen, also solltest du noch etwas Hoffnung und Geduld haben. Allerdings kann er auch keine Wunder wirken. Und wir können dich leider, solange die Situation so brenzlig ist - was habt ihr euch eigentlich gedacht, einen Programmierer von der NSA zu entführen - hier weglassen. Verstehst du das?«

Und dann nagelte ihn dieser Heinrich mit einem Blick fest, der Jacko fast erstarren liess. Als wenn er dem Weihnachtsmann gegenüberstehen würde und wüsste, dass dieser auch alles wüsste.

»Ähem« räusperte sich Jacko, mit gefühlten heruntergelassenen Hosen.

»Was bleibt mir anderes übrig? Sieht ja nicht so aus als ob ich eine grosse Wahl hätte. Ich werd schon klar kommen, Heinrich. Ich hab ja Erfahrung in keine grosse Wahl haben.«

Das leichte, mit Bitterkeit gewürzte Lächeln, dass über Heinrichs Gesicht huschte, liess Jacko wieder etwas Mut fassen. Zumindest schienen sie hier sicher. Bis auf die Sache mit dem Gas, fiel ihm wieder ein.

»Und was war das mit dem Gas vorhin?« sagte Jacko und blickte Heinrich fragend an.

»Grubenunwetter, Schlagwetter. Kommt immer wieder mal vor.«

Heinrich schaute sich kurz um, als ob etwas das in interessierte, an dem Vorhang vorbeigehuscht wäre.

»Du musst wissen, wir sind hier in ehemaligen Bergbaustollen, die wir ausbauen. Und irgendwie müssen wir das System lüften, ohne draussen zu viele Spuren zu hinterlassen. Wir haben Kamine. Wir haben Wetterscheider, an denen ihr auch noch arbeiten werdet. Die werden nämlich immer wieder undicht. Und Blasebälge, Wetterhüte und was man so alles braucht um ein Höhlensystem zu belüften. Dabei gibt es immer wieder mal Probleme. Methangas ist eins davon. Kann hinter jeder Wand sein, an der wir arbeiten. Oder durch Ritzen entweichen, die durch die natürlichen geologischen Bewegungen entstehen. Und Vögel reagieren empfindlicher darauf. Sie helfen uns Probleme früh zu erkennen. Also behandle sie gut. Sie könnten auch dein Leben eines Tages retten.«

Heinrich stand auf, holte aus einer Nische Gläser, die er mit Wasser gefüllte und bot jedem ein Glas an. Das Wasser schmeckt frisch, kalt und eigenartig nach Rost.
»Vorlaut wird euch noch einiges hier erklären. Also wie die Sachen so laufen. Aber auf eines solltet ihr auch noch besonders achten. Staub! Wirbelt keinen auf! Wenn ihr welchen seht, sprüht Wasser oder holt Hilfe. Eine Staubexplosion ist keine Kleinigkeit. Und glaubt mir, die macht keinen Spass! Absolut keinen! Wenn ihr bei der Arbeit Staub aufwirbelt, dann habt ihr die Umgebung nicht feucht genug gehalten.«

Manchmal fragte sich Jacko, wo dieser Heinrich die Luft zum Atmen hernahm. Er redete so schnell, dass Jacko schon beim Zuhören Atemnot bekam.

»Ach ja, ihr werdet ja gemerkt haben, dass eure elektronischen Spielzeug hier unten nicht funktionieren. Das Netz gibt es nur oben und es wird auch dort oben bleiben. Doch keine Sorge, Nachrichten von oben verbreiten sich hier auch ohne Netz sehr schnell. Wir vermeiden hier fast alles Elektronische und vieles Mechanische. Hauptsächlich um der Entdeckung durch die Bugs zu entgehen. Und wir leben hier unten friedlich zusammen. Es gibt hier mehrere verschiedene Kulturen, das ist reichlich Stoff für Missverständnisse. Deswegen gelten zuallererst die Grubenregeln: Sicherheit geht vor und jeder ist für alle seine Taten verantwortlich. Ob bewusst oder unbewusst getan. Also fragen, bevor man Scheisse baut! Klar?«

Heinrich schaute Peer und Jacko ernst in die Augen.

»Um euch das klar zu machen. Wenn ihr etwas verbockt, Schlagwetter auslöst oder sonst einen Unsinn, bei dem andere Menschen zu Schaden kommen, dann seid ihr diesen Menschen oder ihren Angehörigen verpflichtet. Also wenn jemand durch euch eine Hand verliert, dann müsst ihr seine Hand sein.«

Was Heinrich mit einem weiteren ernsten Blick unterstrich.

»Jeder bekommt hier die Rationen die er braucht. An Essen und Wasser ist derzeit noch kein Mangel. Das mag sich vielleicht ändern, wenn wir noch mehr werden. Luxus dagegen haben wir wenig zu bieten, ausser dem Luxus zu überleben. Religionen sind erlaubt, sofern man niemanden damit belästigt. Das hat der Muezzin- und Kirchenglockenfraktion nicht so gefallen, aber sie ertragen es mit Würde. Im Wesentlichen leben wir nach der Regel, geh in meinen Mokassins, wenn du mich verstehen willst. Wie das die Indianer vielleicht irgendwann mal ausgedrückt haben oder irgendwelche Romantiker, die Bücher über Indianer geschrieben haben. Wer weiss das heute schon noch?«

Fast ohne Atem zu holen fuhr Heinrich fort.

»Es bedeutet einfach, dass man den Anderen nur versteht, wenn man mal seine Situation kennengelernt hat. Streithähne stecken wir deswegen zusammen und lassen sie ihre Rollen wechseln. Nach zwei Monaten sind die meisten gute Freunde. Aber manche können einfach nicht miteinander, die werden dann so verteilt, dass sie sich nicht über den Weg laufen müssen.«

»Jetzt schau mich nicht so mit grossen Augen an, Jacko.« meinte Heinrich augenzwinkernd.

»Meinst du ich würde das entscheiden? Nein, ich schau nur etwas, dass die Regeln eingehalten werden. Entscheiden tun das dann die Betroffenen. Ich helfe ihnen manchmal ein bisschen wieder runterzukommen. Den Blick nach vorne zu richten, nicht nach hinten. Hat noch nie gut getan.«

Bevor Jacko auch nur auf die Idee gekommen wäre, dass er etwas sagen oder fragen könnte, war Heinrich schon wieder am Reden. Jacko würde Schnappatmung bekommen, wenn er so schnell reden müsste.

»Und auf euch beide werde ich ein bisschen ein Auge haben. Euch helfen, euch beistehen und auch darauf achten, dass ihr keine Dummheiten macht oder versucht abzuhauen. Das Problem ist nämlich nicht, ob wir euch vertrauen. Das Problem ist, ob sie euch lebend erwischen. Die haben heute Tricks drauf, da könnt ihr euch selbst noch so schwören, dass ihr dies und jenes nie tun werdet. Am Ende werdet ihr es tun und euch dafür hassen.«

Ein vielsagender Blick von Heinrich unterstrich die Aussage.

»Wer nicht Hardcore-Erfahrungen mit psychedelischen Drogen gemacht und diese ohne Hirnschaden überlebt hat, ist bei denen nach drei bis vier Wochen reif. Es gibt Erzählungen das manche ein Jahr oder mehr durchgehalten hätten. Aber am Ende zerbrechen sie alle. Ist auch kein Wunder, wenn der Gegner alle Zeit der Welt hat und du selbst keine Optionen hast. Noch nicht mal sterben.«

Heinrich machte eine nachdenkliche Pause, als ob er sich an irgendetwas erinnern würde.

»Und deswegen werden nur erfahrene Trupps rausgeschickt. Die von Tim hat bis jetzt am längsten überlebt. Denn, so grausam das sich jetzt vielleicht anhört, diese Trupps sprengen sich eher selbst in die Luft, als dass sie den Geheimdiensten in die Hände fallen. Und es ist völlig egal, welcher von den vielen Geheimdiensten es ist, der dich erwischt.«

»Ja aber woher weiss man das? Kommt da je jemand zurück? Gebrochen?« fragte Peer völlig unverblümt.

»Tja, das weiss man, wenn man solch ein Foltergefängnis gestürmt und die noch lebenden Insassen gerettet hat. Oder vor dem Entsorgen gerettet wurde. Beispielsweise. Oder wenn man selbst mal für eine solche Organisation gearbeitet hat. Und wir haben hier Leute von beiden Sorten.«

Scheinbar ging das alles Heinrich jetzt doch zu weit. Er wurde unruhig und stand auf.

»Ich denke, dass reicht für heute. Ihr könnt es euch hier gemütlich machen, ich bin dann in dem Alkoven nebenan. Vorlaut wird bei euch bleiben. Schlaft gut, träumt mal zur Abwechslung was Schönes und morgen werde ich ein Ohr für eure Fragen haben.«

Mit einem Rascheln des Vorhangs verschwand Heinrich, während der Schaukelstuhl, auf dem er gesessen hatte, noch leicht vor sich hinwippte.

»Un? Isch doch goil, oda?« meinte Vorlaut und strahlte sie an, als hätte er ihnen gerade das tollste Geschenk überhaupt gemacht.

Und vielleicht hat er das sogar, hörte sich Jacko denken …

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