Projekt CERBERUS, NSA Wiesbaden

Auf einen Schlag fiel die Mehrzahl aller Überwachungskameras aus. Die SpyBugs, die Heather losgeschickt hatte, schienen wie durch ein Wunder noch zu funktionieren. Zumindest die vor dem Haus in dem Peterson und Jackson verschwunden waren.

Und CERBERUS war auch nicht zu erreichen. Kipling und Myers kamen gerade beim Haus an und deren SpyGlass funktionierte noch. Der Name war in keinster Weise irreführend.

Ein SpyGlass wurde gut sichtbar an der Uniform in Schulterhöhe befestigt. Eine Kamera in Form eines wachsamen Auges. Das allein machte die meisten Menschen schon gefügig und umgängig.

Was Heather nicht wusste, war, dass Herbert auch über so ein Gimmick verfügte, mit dem er jedes SpyGlass in seiner Umgebung anzapfen konnte. Und das war in diesem Moment aktiv. Es übertrug alles! Verschlüsselt über ein altes geheimes TOR Netzwerk an die letzten illegalen überlebenden Server von Wikileaks.

Heather versuchte weiter einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden. Dass aber auch alles schief ging! Sie hasste Murphy. Also befahl sie Kipling und Myers erstmal Position zu beziehen. Sie sollten die möglichen Ausgänge des Hauses zu observieren. Den Grundriss des Gebäudes schickte sie den Beiden gleich mit. Wenigstens war dieser ohne CERBERUS schnell auffindbar gewesen.

Warum waren die Überwachungskameras und Bugs gerade jetzt ausgefallen, wo sie sie endlich mal brauchen könnten? Miller und Gosford hatten auch nichts herausgefunden. Der Infrarotscan des Gebietes war irgendwo auf den Festplatten und vor Ort konnten Miller und Gosford nichts mehr ausrichten. Sollten sie doch das Material hier durchsuchen und schauen ob man mehr herausfinden konnte.

Also beorderte sie Miller und Gosford zurück. Währenddessen hatten sich die Spybugs, Kipling und Myers strategisch positioniert. Allerdings schien jetzt alles ruhig. Sollte sie einen reinschicken? Ihn auch noch verlieren? Das Gebäude stürmen wäre alles andere als sachdienlich gewesen und hätte sofort die Behörden auf den Plan gerufen. Sie musste schon darauf achten, dass die SpyBugs, Kipling und Myers nicht auffielen. Wer sich zu lange an einem Ort aufhielt, galt als verdächtig und wurde kontrolliert.

Sich auszuweisen brachte nicht wirklich etwas, da dann die örtlichen Behörden hellhörig wurden. Also einfach unter dem Radar bleiben. Das hiess abwarten, sich in günstige Stellung bringen und noch ein paar Spybugs in die Umgebung schicken, damit Kipling oder Myers gewarnt würden, wenn sich irgendeine Streife näherte oder ein aufmerksamer Nachbar Anstalten traf, die örtlichen Behörden zu informieren.

Sie holte Kipling an die Leitung und besprach mit ihm den Rückzugsplan, falls irgendetwas zu viel Aufmerksamkeit erregen würde. Kipling war nicht erfreut.

»Wir sollten reingehen Mam, solange wir noch eine Chance haben!« beschwor er sie.

»Kipling, bitte! Dann sind sie möglicherweise auch weg vom Radar und wir spielen hier zehn kleine Negerlein. Nein, dass ist ein Befehl. Sie beobachten und greifen nur ein, wenn jemand das Gebäude mit John verlässt. Haben wir uns verstanden oder soll ich Captain James bitten, ihnen die Bedeutung eines Befehls zu vergegenwärtigen?«

»Ok Mam, aber sagen sie nachher nicht, ich hätte ja reingehen können. Nachher heisst es dann immer, warum haben sie dieses und jenes nicht gemacht. Sie hatten einen Befehl? Können sie nicht selbstständig denken? Versuchen sie nur nicht, mir zu erzählen, dass es anders wäre. Aber wie sie wollen.«

Kipling war knapp davor, sich um Kopf und Kragen zu reden und lenkte im letzten Moment noch ein.

»Wir werden uns wie Mäuschen verhalten. Ich wäre ihnen übrigens dankbar, wenn wir wieder mehr Zugriff auf unsere Infrastruktur bekämen. Die meisten Kameras sind ausgefallen. Haben sie dafür eine Erklärung? Könnte das nicht bedeuten, dass das hier was Ernstes ist und wir sofort handeln müssen? Aber keine Angst, Mam. Ihr Wunsch ist mein Befehl …«

Heather musst schlucken. Und sich die Fersen gegeneinander reiben. Eine nervöse Geste, die sie sich angewöhnt hatte und auch nicht wieder los wurde, nachdem sie sich dessen bewusst geworden war.

Kipling hatte durchaus Recht. Wenn dies alles zusammenhing, dann war das sehr alarmierend. Aber wenn Captain James die deutschen Behörden nicht dabei haben wollte, dann konnte kein so vernünftiges Argument ihn vom Gegenteil überzeugen. Man würde nur seinen Zorn und Spott auf sich ziehen. Kein guter Plan. Also was waren die Alternativen?

Der Schlüssel zu CERBERUS war John. Und John war nicht da! Dieser Weg schien wenig Erfolg versprechend. Und ausserdem, sie machten sich viel zu sehr abhängig von diesen ganzen Maschinen. Nein, sie waren es bereits. Alles andere war sich in die Tasche lügen. Miller und Gosford mochten etwas herausfinden, aber das würde noch seine Zeit brauchen und Zeit wurde knapp, wenn man die Spur verfolgen wollte, solange sie noch heiss war.

Wieviel Informationen entgingen ihnen jetzt wieder durch den Ausfall der Überwachungskameras? Wertvolle Infrarotbilder, die vielleicht etwas über den Verbleib von Johns Laptop verrieten. Möglicherweise war diese Spur die Wichtigere? Andererseits, gut möglich dass vielleicht jemand das Laptop einfach mitgenommen hatte, wenn John schon länger entführt gewesen war und seine Wohnung lang genug offen stand. Das würde die Bewohner in den Kreis der Verdächtigen rücken.

Sie musste das Material aus der Umgebung von Johns Wohnung scannen. Am besten sie machte das selber. Also wühlte sie sich durch die Verzeichnisse der Überwachungskameras in der Nähe von Johns Wohnung. Neben dem Live-Stream der direkt über CERBERUS gelaufen und so derzeit ihrem Zugriff entzogen war, verfügten die Kameras meist noch über einen Historienspeicher von einigen Stunden.

Wie sich herausstellte, waren genau diese Kameras ausgefallen und sie hatte keine Möglichkeit an den Speicher der Kameras zu gelangen. Was konnte eigentlich noch alles schiefgehen? Heather, denk nach!

Es musste noch andere Möglichkeiten geben. Die Satelliten, na klar. Dazu müsste sie nur eine interne Prioritätsabfrage stellen. Warum war sie da nicht gleich darauf gekommen? Weil das heute fast nebensächlich war. Die Kameras, elektronischen Gadgets und SpyBugs lieferten einen so umfassenden Blick aus Bodensicht, dass man kaum noch von den Satelliten Gebrauch machte. Zumindest nicht im »zivilen« Geheimdienstbereich.

Allerdings würde sie die Prioritätsabfrage von Captain James autorisieren lassen müssen. Das war nicht zu vermeiden. Dann mal los, sagte sie sich. Allerdings müsste sie dann Captain James auch eingestehen, dass noch mehr schief gelaufen war und dass dies alles keinen Erfolg in auch nur irgendeinem Sinne darstellt. Ihr hallten die Worte von Captain James noch im Ohr. Das nächste Mal eine Erfolgsmeldung.

Wie wunderbar. Erfolg liess sich ja auch so einfach bestellen. Wer lieferte das noch mal? Burger King? Oder McDonalds?

Okay, ab wann wären die Satellitenbilder ohne Priorität verfügbar? Aktuell hatte sie mit zwei Stunden Delay zu rechnen, bis alles auf ihrer Zugriffsstufe verfügbar war. Das hiess in ca. einer Stunde wären die Bilder auch so verfügbar. Es widerstrebte ihr zwar, weiter zu warten, aber wenn Captain James in seiner unendlichen Weisheit beliebte, das Spiel so zu spielen, dann blieb ihr keine andere Wahl. Sie musste mit ihren Rechten und Befugnissen das Problem soweit lösen, dass sie zumindest einen Teilerfolg melden konnte.

Doch durch diese Situation verlor sie Zeit. Zeit, die sie bräuchte um einen Erfolg zu erreichen. Eine Zwickmühle, wie es schien. Ausser sie begab sich selbst vor Ort. In die Höhle des Löwen. Aber wenn es die falsche Spur war?

Nein, das Risiko konnte sie nicht eingehen. Egal, bis Miller und Gosford hier waren, konnte sie ja schon mal die andere Spur verfolgen. Sie konnte sich die vorhandenen Infrarotaufnahmen vornehmen, die mit dem Weg des Laptops korrelierten.

Irgendetwas Sinnvolles musste man doch tun können …

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