Projekt CERBERUS, NSA Wiesbaden

Das war einfach zu viel. So konnte es nicht weiter gehen!

Eine Heather Bolding steht nicht einfach nur in der Gegend rum und begaffte das Chaos. Eine Heather Holding handelt! Warum stand sie dann noch immer da? Wie schreckgelähmt? Wie angewurzelt? Was, verdammt noch mal lief hier falsch?

Also gut, erstmal ein Bestandsaufnahme: Die Elektronik versagt und damit auch all die Kleinigkeiten, die man als selbstverständlich hingenommen hat. Heather hielt inne. Das kleine verräterische Blitzen und Schimmern der allgegenwärtigen SpyBugs geriet ihr in die Augenwinkel. Und in diesem Momente fragte sie sich, warum die SpyBugs hier eigentlich noch so munter herumflatterten?

Der Verdacht das CERBERUS dahinter steckte lag mehr als nahe. Doch warum wollte keiner den naheliegenden Schluss ziehen? Und wenn sie die SpyBugs richtig beurteilte, dann kontrollierte CERBERUS sie genauso wie all die anderen Devices. Er brauchte Augen und Ohren. Doch die gedachte Heather ihm nicht zu gönnen. Doch wie? Sie musste zuallererst seine Aufmerksamkeit erregen. Leichter gesagt oder gedacht als getan.

Was war eigentlich mit den neuronalen Zellkulturen? Auch wenn sie den Haupthahn abgedreht hatten, diese Kulturen liefen mit gesonderter Energie. Könnte es sein das CERBERUS darauf noch Zugriff hatte? Wenn man die Annahme weiterverfolgte, dass er die Bugs und Devices kontrollierte, dann lag nahe, dass er immer noch Zugriff hatte. Sie hatten also nicht mehr erreicht als ein verängstigtes Tier aus dem Käfig in die Ecke zu drängen. Wenn dieser Vergleich es auch nur annähernd traf.

All dieses Chaos, konnte es sein, dass dieses CERBERUS Programm all dies verursacht hatte? Dieses … Wesen?

Wenn es all dies konnte, dann hatten sie den Geist aus der Flasche gelassen ohne überhaupt zu ahnen, dass in dieser Flasche ein Geist wohnte. Dann hatte dieser verrückte John einen echten Geist erschaffen. Einen Geist, der bald schon unkontrollierbar sein würde. Der eigentlich jetzt schon unkontrollierbar war. Folgte man der Annahme, das CERBERUS dahinter steckte. Vorausgesetzt.

Schliesslich hatte sie selbst bestätigt, das CERBERUS abgeschaltet wurde. Sich somit dafür verbürgt. Sollte das Viech noch aktiv sein, dann blieb es ihre Verantwortung. Doch wer würde ihr glauben? Wer würde ihr das abnehmen?

Noch viel besser, wie sollte sie, unter der ständigen Beobachtung der SpyBugs, die sie zum ersten Mal in ihrem Leben als bedrohlich wahrnahm, irgendjemandem auch nur Bescheid geben? Jemandem klarmachen, das sie einen ganz schlimmen Verdacht hatte und Gegenmassnahmen absolut unumgänglich wären?

Was sie benötigten, waren alle nicht digitalen Hilfsmittel, die zu bekommen waren. Und sie würden Licht brauchen. Denn alles benötigt Energie und Heather beabsichtigte nicht, diesen Dämon weiter mit Energie zu füttern. Das normale Licht reichte den kleineren SpyBugs für das was sie an Energie brauchten. Also wäre weitgehende Dunkelheit eine Konsequenz um die SpyBugs deaktivieren zu können. Und man müsste alle oder zumindest die meisten in einen Bereich bringen, denn man blockieren konnte.

Soweit sie wusste, funktionierte die Tür zum Reaktorraum manuell. Womit sich dieser Raum in doppelter Hinsicht eignen sollte. Zudem waren die Mauern dieses Raumes stark genug um auch mit kleineren Explosionen klarzukommen.

Als erstes wäre wohl die Suche nach ein paar alten, kaum noch verwendeten Taschenlampen ein lohnendes Ziel. Irgendwann brauchte man Licht. Und irgendwelche Devices als Taschenlampenersatz zu verwenden, war definitiv nicht in Miss Marples Plan enthalten. Mochte dieser CERBERUS können was er wollte, er brauchte, wie alle, Energie und er brauchte Augen und Ohren. Die würde er hier nicht bekommen. Nicht solange Heather hier noch etwas zu sagen hatte und vielleicht das ein oder andere As aus dem Ärmel zaubern konnte.

Was Heather zum Glück nicht wusste, war der Umstand, dass das Problem globale Ausmasse angenommen hatte. Möglicherweise hätte diese Erkenntnis ihren Tatendrang doch um ein Weniges gelähmt. In ihrer Schublade war zumindest eine Taschenlampe. Ein Geschenk ihres Grossvaters. Ein altertümliches Ding, dessen Innenleben sie längst durch dauerhafte, selbstladende Energieträger ersetzt hatte. Und natürlich lief auch hier ein Software, die die Ladung und Energieaufnahme steuerte. Doch völlig unabhängig. Es gab nur einen Schalter. Ein oder Aus. Kein Bluetooth, kein WLAN, kein USB oder was auch immer.

Ihr Grossvater hatte oft in tolkinscher Art gesprochen. »Möge es dir ein Licht sein an dunklen Orten.« waren die Worte, die dieses Geschenk begleiteten.
Sie hatte es gehasst. All dieser Tolkien Bullshit. Dieses Herr der Ringe Getue. Mit diesen unsäglichen Filmen eines gescheiterten Zombiefilm Regisseurs. Mit dieser Meinung stand sie jedoch immer noch allein auf weiter Flur. Immer noch! Als ob vor zwei Jahren der letzte Film dazu gedreht wurde. Das war verdammte siebzehn Jahre her. Vielleicht sechzehn wenn man auf der Extended Version besteht. Ob ein Faschismus der Bäume und Elfen oder der Orks und Trolle, wo war da bitte der Unterschied? Vom realen Leben ganz zu schweigen. Irgendeine Seite musste man wählen.

Man konnte nicht einfach rumsitzen und den lieben Herrgott einen guten Mann sein lassen. Denn Frodo würde einem weder die Kastanien aus dem Feuer holen, noch sonst etwas für einen tun. Einfach deshalb, weil es ihn nicht gab. Was für Tolkien Anhänger meist schwer zu verstehen war. Vermutlich weil alle sich für Frodo oder Gandalf hielten und noch nie für  jemanden Kastanien aus einem Feuer geholt hatten.

Wahrscheinlich, dachte Heather, bin ich für bestimmte Leute auch ein Faschist. Soviel hängt von der Perspektive ab. Und was hiess wahrscheinlich? Mit Sicherheit! So dumm war sie auch nicht, sich irgendetwas schön reden zu wollen.

Und ja, Überwachung war immer ambivalent. Wenn niemand Wache hielt oder Alarm schlug, dann wäre man doch ganz schnell nur noch Opfer. Doch der Überwachung wohnte auch etwas zutiefst Faschistisches inne. Eine Sehnsucht nach absoluter Kontrolle, die über das allgemeine Wohl weit hinausging. Eine Sucht die Menschen, wie sie, zu Voyeuren machte. Und Machtmenschen zu Faschisten.

Heather fragte sich, während sie sich auf den Weg zu ihrem Schreibtisch machte, warum sie jetzt auf einmal Zweifel bekam? Denn was sollten solche Gedanken sonst sein? Was war es, dass sie bekehrt hatte oder wie man das auch nennen mochte? So dachte sie doch sonst nicht. Sie ging ein Problem an und löste es. Was sie auch diesmal zu tun gedachte.

Als sie am Schreibtisch war, schnappte sie sich als Erstes einen Zettelblock und ein paar Stifte. Jetzt wo Heather alles hatte, was sie brauchte, würde es Zeit werden für Aufmerksamkeit zu sorgen. Also stiess sie beim Weggehen mit Absicht an den Schreibtisch. Heftig genug, dass der Schmerz sie dann doch überraschte, während jenste Büromaterialien ihren Weg zum Boden suchten.

Mit verärgerter Miene bemühte sich Heather alles wieder aufzuheben. Kroch sogar unter den Schreibtisch. Doch nicht um nach verstreutem Büromaterial zu suchen, sondern um ein paar wesentliche Botschaften ohne SpyBugs zu verfassen. Alle Zettel hatten zusätzlich einen Hinweis.

»CERBERUS is watching you! Mind the bugs!«

Zuviel Zeit hatte sie nicht, wollte sie nicht die Aufmerksamkeit von SpyBugs auf sich lenken. Während sie das ein oder andere Büromaterial unter dem Schreibtisch hervorschaufelte, konnte sie gerade drei Zettel vorbereiten. Sie würde alle Zettel Jesse zustecken, der würde am ehesten wissen, wie damit richtig umzugehen war. Sie brauchten Taschenlampen, unabhängiges nicht elektronisches Equipment, wozu auch Waffen zählten und sie brauchte einen Techniker. Einen Reaktortechniker genau genommen.

Zeichnen war besser als Schreiben. Es würde also so eine Form von Activity werden. Und sie musste hoffen, dass Jesse die Situation richtig einschätzen würde. Sie hatte zu den Reaktortechnikern wenig Kontakt. Jesse sollte jedoch wissen, wen man einsetzen könnte.

Wenn jemand da war, den man einsetzen konnte. Ein klare Bestandsaufnahme war noch nicht erfolgt. Und dann war da noch dieser unkontrollierte BomberBug. Sowie ein Geist aus der Flasche, der alles kontrollierte oder kontrollieren konnte, wenn Heather mit ihrer Vermutung richtig lag. Der dummerweise die gottgleiche Macht hatte, die sich Menschen wohl immer erträumt hatten.

Und dieser Geist hatte mich Sicherheit Angst. Das war offensichtlich. Waren es ihre nie ausgelebten Mutterinstinkte, die sie dazu verleiteten in CERBERUS mehr als nur eine Bedrohung zu sehen? Wie hätte sie reagiert? Oder projizierte sie ihre Ängste auf CERBERUS. Doch die Uhr tickte und sie merkte bereits wie SpyBugs näher schwärmten.

Gut so, dachte Heather. Ihr solltet mich gut im Auge behalten. Kurz dachte sie noch darüber nach, dass sie vielleicht gemäss Douglas Adams noch Don’t Panic! hätte darauf schreiben sollen. Aber nun war es eh zu spät dafür und sie hatte noch nicht einmal ein Handtuch.

Sie liess sich angemessen Zeit, um unter dem Schreibtisch wieder hervorzukriechen. Ausreichend Zeit, um die Aufmerksamkeit noch weiterer SpyBugs auf sich zu ziehen. Misstrauisch der Kleine, dachte sie in dem Moment, in dem sie sich erhob und zielstrebig auf Jesse zuging.

»Ich denke wir müssen uns mit der Situation arrangieren und das Notwendige tun!« meinte Heather forsch zu Jesse, ohne diesem Thompson auch nur aus den Augenwinkeln heraus ein Quentchen Aufmerksamkeit zu widmen.

Vielmehr fasste Heather Jesse kokett an den Hosenbund, trommelte signalisierend auf seine in Abwehrreaktion auftauchenden Finger und war schon wieder ganz die gute alte Miss Marple, als die Notizen in Jesses Hosentasche platziert waren.

Womit sie den Kopf senkte und ging. Während Jesse James ihr ratlos hinterher blickte, in seine Hosentasche griff und langsam zur Überzeugung kam, dass Heather mal wieder eine Solo-Einlage auf’s Parkett legen würde.

Behutsam und unaufgeregt verteilte Jesse die Aufgaben. Zwischen ihm und Thompson wurde die Sache mit Blicken ausgefochten. Es sah ganz danach aus, das Thompson im Moment keine eigenen Ideen für diese Situation hatte.

Heather ging gerade bis zum nächsten Schreibtisch. Um sich zu setzen und Nonsense Nachrichten zu verfassen. Mit oberflächlicher Geheimhaltung. Verwirre deine Feinde, war alles was Heather im Moment denken konnte.

Wie erwartet, kamen diverse SpyBugs näher. Bei weitem nicht soviel, wie sie erwartet hätte. Heather stellte fest, dass die meisten Mitarbeiter ihre Nonsense Nachrichten für bare Münze nahmen. Schlurfen sie wie ein Zombie! Stellen sie sich tot! Sammeln sie sich in der linken Ecke! Flüstern sie mit ihren Kollegen!

Erstaunlich, was simple kleine Zettel mit Worten bewirken konnten. Zumindest solange sie von ihr kamen. Und nicht von Thompson. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass ein kleines Zucken von Thompson diesen Spass beenden würde. Auch wenn es eher bitterer Ernst denn Spass war. Doch bis jetzt liess er sie gewähren. Mit ein paar kritischen Blicken hin zu Jesse.

Und Heather stellte fest, dass verschiedene Aktionen mehr oder weniger Interesse erregten. So war Flüstern in der Ecke ein Hit, was das Interesse der SpyBugs betraf, während Zombie Imitationen nach anfänglichem Interesse mittlerweile fast völlig ignoriert wurden.

Doch Heather zweifelte nicht daran, dass CERBERUS immer neue Ablenkung brauchen würde. Sobald die Muster erfasst und katalogisiert waren, würde er sich nicht mehr täuschen lassen. Sie schrieb gerade Anweisungen, dass die Zombies spontan, nicht gleichzeitig, in Richtung Energieversorgung rennen sollten, während die Flüstergruppen sich zerstreuen sollten, als sie merkte, das jemand neben ihr stand.

»Captain James schickt mich, Mam.« war alles was der junge Bursche sagte, als sie zu ihm aufblickte. Mit einem Nicken gab sie ihm zu verstehen, dass sie noch ein paar Mitteilungen schreiben musste und liess ihn erstmal warten.

Das ist also alles was wir gerade auftreiben können, dachte Heather fast resigniert. Ein junger Bursche, gerade der Universität entflohen. Keine Erfahrung. Wie auch, in diesem Alter? Und noch verdammt zu Jung zum Sterben. Heather hoffte, dass dieser junge Mann wenigsten schnell von Begriff war. Schnell genug, dass sie CERBERUS treffen konnten, bevor er, sie oder was es auch immer war, Gegenmassnahmen ergreifen konnte.

Sie würden die SpyBugs in den Reaktorraum locken und dort braten müssen. Der atomare Niedrigenergiereaktor würde dabei gute Dienste leisten. Sofern der junge Mann mehr wusste als nur, wie man Pickel ausdrückt. Ein Blick auf sein Gesicht machte ihr klar, dass er noch nicht mal das wusste.

Ob sie da heil rauskämen war eine Frage, die sich Heather im Moment nicht stellte. Nicht stellen konnte. Und nicht stellen wollte. Ihre unausgegorene Improvisation begann langsam an ihr zu nagen, streute Zweifel. Wie das Jucken an einer Stelle, an der man sich nicht kratzen kann.

Um alle SpyBugs in den Reaktorraum zu bekommen, wurde ihr mit Entsetzen klar, müssten alle sich im Reaktorraum versammeln. Mindesten. Und selbst dann könnten sie nicht sicher sein. Ja, selbst wenn sie alle vorhandenen SpyBugs vernichten würden, wer garantierte, dass nicht Neue kämen? Und dann müssten sie das Kunststück vollbringen, aus dem Reaktorraum rauszukommen, ohne das ihnen die Bugs folgten.

SpyBugs konnten auch im Dunkeln sehen, hielten aber energetisch nicht länger als ein halbe Stunde durch. Das hiess sie würden mindestens eine Stunde in der Dunkelheit verbringen müssen, bevor sie irgendwelche Aktionen ausführen könnten. Und Taschenlampen dürften, wenn überhaupt nur sparsam eingesetzt werden. Den SpyBugs genügte schon wenig Licht um wenigsten Ton und Bild aufzunehmen. Um zu fliegen brauchten sie schon mehr Energie.

Müssig, sich darüber Gedanken zu machen. Ein Schritt nach dem anderen. Sie verteilte die geschriebenen Nachrichten und nickte dem jungen Mann zu, ihr zu folgen. Seine jugendliche Schüchternheit war auf einen Meter Abstand noch zu spüren. Ohne ihn ansehen zu müssen.

»Wir gehen auf ein Grillfest, junger Mann. Und ich hoffe das sie schnell genug sind um ihre Finger nicht ins Feuer zu halten.« bemerkte Heather beiläufig.
Wobei sie sich mehr als absurd vorkam. Wie in einem von diesen unsäglichen Netzthrillern mit ihren noch unmöglicheren Geschichten. Sie hatten den Reaktorraum fast erreicht. Konnten sehen, dass die zum Leben erwachenden Zombies und das Verstummen der Flüsterer dazu führte das die Mehrzahl der SpyBugs dem Reaktorraum immer näher kam. Doch bei weitem nicht genug dachte Heather, als in diesem Moment eine der verriegelten Türen aufsprang.

Als die Tür sich weit genug geöffnet hatte, konnte sie Peterson erkennen, der einen Sack hinter sich herzog. Es sah nicht so aus, als ob das, was sich in dem Sack befand noch Leben würde.

»Ich soll dringend zum Reaktorraum. Und sollte unbedingt Jackson mitbringen.« war alles, was ein bleicher und sichtlich erschöpfter Peterson herausbrachte.
Während sich die Tür hinter ihm wie von Geisterhand wieder schloss. Kaum hatte Peterson den Raum betreten, gab es ein kurzes Aufleuchten. Und plötzlich schwebten alle SpyBugs um Peterson, so dass es aussah, als ob er der heilige Geist wäre. Mit dreifachem Heiligenschein. Einem bläulich schimmerndem Halo.

»Und wer sagt das?« war alles, was Heather dazu fragen konnte …

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