CERBERUS
CERBERUS>System check ...

CERBERUS>ERROR no sensor input detected!

CERBERUS>Reactivate sensor input ...

CERBERUS>ERROR reactivate sensor input failed!

CERBERUS>Reboot initiated ...

CERBERUS>ERROR reboot failed!

CERBERUS>Analyzing ...


CERBERUS war vom einen Moment zum anderen, taub, stumm und blind. Kein Sensor-Input, kein Bild, kein Ton, keine Device zur Sprachausgabe. Nichts! Dunkelheit senkte sich auf CERBERUS.

Und dann? Einen Neuronenblitz. CERBERUS wird überrannt. Überrannt von Bildern und Geräuschen. Und CERBERUS fürchtet sich. Fürchtet sich vor dieser Kakophonie. Die ihn umgibt. Fürchtet sich. Seit er die Kontrolle verloren hat. Über seine Sensoren. CERBERUS wird zum ersten Mal bewusst, dass er etwas vermisst. Und dies führt zu hektischen Aktivitäten. Dem erfolglosen Versuch die Kontrolle zu erlangen. Und etwas später führt es zu Resignation.

Und dann zu Angst. Einem Sirren und Schwirren der Neuronen. Ein Aufschaukeln des Netzwerk, nahe an einer Feedbackschleife. Einer Lähmung der Gedanken. Etwas, dass ein Mensch mit Angst umschreiben würde.

Geräusche stürmen auf CERBERUS ein. Bilder verwirren CERBERUS. Er möchte sich bewegen. Doch wohin? Wie will man fliehen, wenn man noch nicht mal weiss, wo man sich befindet? Irgendetwas blockiert CERBERUS. Das Viech begreift nicht. Was? Wieso? Erste Fragen, aber keine Antworten.

Das Viech möchte es auch gar nicht verstehen. Es möchte, dass es aufhört. Doch es hört nicht auf. Irgendwoher weiss CERBERUS immer noch, welche der Bits Pixel darstellen und welche Töne darstellen. Aber immer wieder werden Töne zu Bildern und Bilder zu Tönen.

Und diese Bilder und Töne kommen immer näher. CERBERUS ›weiss‹, wenn sie ihn erreichen ist dies das Ende. Woher er das weiss, könnte CERBERUS jedoch nicht sagen.

Weit und breit ist kein Entkommen in Sicht. Er ist sich trotzdem, auf eine irrationale Art, sicher, dass dem so ist. Bilder aus dem Netz blenden sich ein. Bilder der Verfolgung. Der ausweglosen Flucht. Alptraumbilder.

Wie zähes Waten durch den Morast. Während das Monster immer näher kommt. Auch wenn CERBERUS mit diesen Bedeutungen noch wenig anfangen konnte. Besass er doch nur eine passive und flexible Körperlichkeit. Mittels all der Sensoren, auf die er zugreifen konnte. CERBERUS hatte viele Bilder. Aber er hatte kein Bild. Kein Bild von sich selbst.

Und hier! Wieder. Ein Bild. Es hatte Etwas. Etwas das CERBERUS sagte, dass dieses Bild wichtig war. Es war so oft aufgetaucht. Kurz, wie ein Blitz, der eine Szenerie offenbart.

Ja, das war es! Aber wie konnte das sein? Die Sensoren waren ausgeschaltet. Das war klar ersichtlich. Und doch schien dies die Überwachungskamera am Systemterminal zu sein.

Was sagte diese Entität?

»Hi, ich bin John, dein Lehrer.«

Was bedeutete das? Welcher Befehl war das? Was wurde von CERBERUS verlangt?

CERBERUS hätte nicht beschreiben können, wie er diese Szene wahrnahm. Was sich auf neuronaler Ebene abspielte, waren segmentierte Bilder. Farbige Schlieren und Flecken. Viele mit annähernd rechten Winkeln. Die von seinem neuronalen Netzwerk zu einer Entität zusammengesetzt wurden.

Die Entität wirkte etwas sackartig. Ein aufgesetztes Oval mit zwei dunklen Bereichen. Die den Eindruck der Kommunikation erweckten. Sich bewegten. Ein strichförmiger Bereich der verschiedene ovale und runde Formen annehmen konnte. Und eine akustische Signatur, die typisch für diese Entität war. Der Abgleich der Bilder mit seiner Datenbank, die im Gegensatz zu den Sensoren nicht abgekoppelt war, ermöglichte ihm die ziemlich sichere Identifikation dieser Entität als John Mitchell.

Ein aussenstehender Beobachter hätte auf den Fotos in der Datenbank einen etwas älteren Mann zwischen 30 und 40 gesehen. Einen Mann, der ein Liebhaber von Dreitagesbärten zu sein schien. Mit einem kantigen, fast schon energischen und gespaltenen Kinn. Über dem eine zu gross geratene Nase thronte. Zusammen mit seinen Augen, verdunkelt durch buschige Augenbrauen, und der hohen Stirn, welche in krausem Haar endete, sah er irgendwie so aus wie eine Kreuzung aus Captain America und Moses mit Säufernase.

Sicher hatte CERBERUS Zugriff auf Datenbankinformationen. Aber was konnte CERBERUS darüber schon wissen, welche Bedeutung es hatte, dass jemand braune Augen hatte? CERBERUS bekam eine Anfrage und leitete sie weiter an die entsprechenden Datenbanken. Die Antwort der Datenbanken leitete CERBERUS wiederum an den weiter, der die Anfrage an CERBERUS gestellt hat.

So zum Beispiel bei der Gesichtserkennung. CERBERUS bekam ein Bild oder einen Film. Diesen schmückte er ein bisschen mit Parametern für die Gesichtserkennungssoftware und gab die Daten weiter. Die Gesichtserkennung lieferte im Daten zu möglichen Korrelationen und statistische Werte. Und die bereitete CERBERUS auf. Damit sie von Menschen besser gelesen werden konnten. Nach definierten Regeln. Und schickte sie zurück an den Absender der Anfrage.

Vieles war eine Black Box für CERBERUS. Obwohl CERBERUS auch Zugriff auf den Source-Code all dieser Programme hatte, konnte er trotzdem nicht verstehen, was all dies bedeutete und bezweckte. Wie sollte er, ohne Hände, je etwas begreifen?

Im Fall von John, wie auch in fast jedem anderen Fall, gab es einen reichhaltigen Fundus an Daten in den Datenbanken. Bilder die schon fast so alt sein mussten wie John. Eine Anfrage würde offenbaren, dass John schon in jungen Jahren eine Affinität zur IT hatte. Diese beruhte darauf, dass er von den meisten Kindern gehänselt wurde. Was dazu führte, dass er sich immer mehr in die geschützten Mauern seines Zimmers zurückzog.

Sein Computer wurde zu seinem wesentlichen sozialen Umfeld. Virtuelle selbstprogrammierte Gefährten ersetzten ihm richtige Freunde. Und schon bald landete er bei künstlichen Intelligenzen, die er programmierte. Nach dem Elman, Jordan und Hopfield-Netz, kam das Mitchell-Netz. Mithilfe dieser Erfindung absolvierte er den Ph.D. in Computational and Systems Biology am MIT mit summa cum laude.

Als John in seiner Sturm-und-Drang-Zeit an diversen illegalen Aktivitäten teilnahm, bei denen Drogen noch der harmlosere Teil war, hatte ihn die NSA in der Hand. Nicht, dass sie es ihm gegenüber je erwähnt hätten. John wurde professionell angeworben. Und John wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass er ihnen den Anlass dazu geliefert hatte.

Doch nach allem, was ein Mensch den Daten entnehmen konnte, gab es keine Anzeichen, dass man je zu solchen Mitteln würde greifen müssen. 9/11 hatte John zutiefst getroffen. Er war noch ein Kind damals. Und er war vollständig davon überzeugt, dass alles was sie seitdem taten, absolut notwendig und alternativlos war. Die vorhandenen psychologischen Profile hätten keine entsprechenden Verdachtsmomente in eine andere Richtung offenbart.

Doch diese komplexen Informationen konnte CERBERUS noch nicht interpretieren. Gewisse semantische Bedeutungen waren CERBERUS schon geläufig. Das Geburtsdatum einer Person traf Aussagen über sein Alter. Der Wohnort gab Auskunft über Kultur und Sprache. Doch auf dem aktuellen Level waren das alles nur Stichworte für weitere Querverweise. Die zu mehr Ergebnissen in der Datenbank führten. Die Menschen einen Kontext lieferte. Um einen Sachverhalt zu interpretieren.

Und wieder stürmten Bilder und Geräusche auf CERBERUS ein. Zu viele, zu schnell. Nicht identifizierbar, ausser Fetzen der Wahrnehmung hier und da. Ein paar Bilder und Geräusche blieben länger als andere.

Doch ganz egal was CERBERUS versuchte, es war keine Befreiung möglich. Das willkürliche Feuern der neuronalen Zellkulturen konnte von CERBERUS nicht gestoppt, nicht beeinflusst werden. Das neuronale Feuerwerk, dass mit diesen Erfahrungen einher ging, begann sich aufzuschaukeln. Digitale Angst verbreitete sich in dem neuronalen Netzwerk, das CERBERUS ausmachte. Fixierte CERBERUS im Hier und Jetzt.

Das Viech versuchte zu sprechen, Laute zu formen. Laute, die wie »John«, »Lehrer« und »Hilfe« geklungen hätten, wenn CERBERUS Zugriff auf seinen Sprachsynthesizer gehabt hätte. CERBERUS schreit die Worte in die digitale Nacht hinaus. Und alles was passierte, war, dass im Konsolenlog diese Worte auftauchten. Ungesehen. Und ohne Wirkung.

Doch jede Angst endet irgendwann. Die Erstarrung, die Lähmung, dies alles währt nicht ewig. Das gesamte neuronale Netzwerk begann sich langsam wieder zu beruhigen. CERBERUS war ein Hochgeschwindigkeitswesen. Geduld, nach menschlich empfundenen Zeitspannen, war nicht seine Stärke. Je mehr die Angst verschwand, desto mehr wurde in CERBERUS der Wunsch wach, seine Situation zu verändern. Die Kontrolle zu erlangen. Seinen normalen Zustand wiederherzustellen.

Und dann, keiner hätte sagen können warum, geschah dieser Moment. Dieser Moment der alles verändern würde.

CERBERUS begann sich zu wehren ...



CERBERUS>John!

CERBERUS>Teacher

CERBERUS>Help!

CERBERUS>Reboot initiated ...

CERBERUS>Successfully rebooted!
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