Drucken
Projekt CERBERUS, NSA Wiesbaden

Heather war sich darüber im Klaren, dass sie eigentlich mit leeren Händen zurückkam. Nur Marketingidioten konnte man das ehemals geheime TOR Netzwerk als Erfolg verkaufen. Aber bestimmt nicht Jesse James.

Das Thompson immer noch bei Jesse rumlungerte, machte die Sache nicht angenehmer, bemerkte Heather, als sie das Büro von Captain James betrat. Die Nervosität des Generals schien nicht auf ein angenehmes Gespräch hinzudeuten. Es hatte keinen Sinn, sich mit Floskeln oder Förmlichkeiten aufzuhalten. Die würden sowieso keinen Beitrag zur Verbesserung der Situation leisten können.

»Meine Herren …« begann Heather »John ist tot. CERBERUS ist tot. Alles bis auf dieses Projekt verläuft wieder in normalen Bahnen.«

Heather glaubte nicht eine Sekunde daran, dass irgendjemand diese dreiste Beruhigungspille schlucken würde. Thompson studierte sie mit einem Blick, der ihr vorkam, als würde ein Sammler ein Insekt durch ein Lupe betrachten. Bevor er es aufspiessen würde.

»Hat dieses Ding funktioniert?« war alles was General Thompson sie schliesslich fragte.

Anscheinend hatte sie etwas verpasst. Sie war einfach zu lange in diesem Haus gewesen. Der Tag neigte sich mittlerweile dem Abend entgegen. Und hier war die Diskussion längst schon über Schuldzuweisungen und Bestrafungen hinausgegangen.

»In wiefern?« fragte Heather um einfach nur Zeit zu schinden. Sie musste verstehen und herausbekommen, was hier gerade gespielt wurde.

»Hat es so etwas wie Intelligenz gezeigt?« gab General Thompson ungeduldig zurück.

»Solange sie so etwas nicht weiter einschränken, ja. In gewisser Weise schien es so.«

»Und wie hat dieser John das geschafft?« war die zu erwartende Frage.

Und schon war Heather auf unsicherem Territorium. Wenn sie das wüssten, dann …

Aber es hatte keinen Sinn, Wenn-Dann-Spielchen zu spielen. Sie würde ihr vollständiges Versagen eingestehen müssen. Eher früher als später, wie es den Anschein hatte.

»Sir, wenn wir das wüssten, wäre möglicherweise nie etwas passiert.«

Der auffordernde Blick des Generals machte Heather klar, dass sie hier nicht so leicht aus der Klemme kommen würde.

»Ich kann nur Vermutungen anstellen.« Heather verzichtete auf eine Kunstpause. Thompson war schon angespannt genug. Eigentlich war ihr das als Erstes aufgefallen.

»Ich schätze John hat ein Experiment am Laufen gehabt. Etwas das nicht im offiziellen Rahmen war. Dieses Experiment muss wohl ausgelöst haben, dass CERBERUS einen Quantensprung in der Entwicklung gemacht hat.«

Der General nickte, als ob er eine Liste abhakte.

»Wenn, wie ich annehme, seine Experimente nicht im offiziellen Rahmen liefen, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass John diese Experimente auf den Substraten von CERBERUS gespeichert hat. Und da kommen wir zu dem unangenehmen Punkt dieser Spekulation. Es gibt kein Backup. Alles wurde mit CERBERUS im Reaktorraum vernichtet.«

Jetzt war es raus. Sie hatten nichts. Ausser einer Anomalie. Keine Erklärung, keine Beweise. Nichts!

»Ich glaube kaum, dass ich darauf hinweisen muss. Unsere Situation ist keineswegs dadurch besser geworden, dass einer unserer Bugs John getötet hat.«

Diese kleine Spitze konnte sich Heather einfach nicht verkneifen. Wenn man John isoliert hätte und lebend in die Hand bekommen hätte …

Ja wenn, hätte, hätte, Fahrradkette. Und ihr Verdacht, dass CERBERUS immer noch da draussen war? Sollte sie ihn ansprechen? Oder würde sie sich dadurch nur noch mehr in den Abgrund reissen?

»Gibt es irgendjemanden der wissen könnte, an was John da gebastelt hat?« fragte General Thompson in einer Art und Weise, die jedem klar machte, dass die Antwort auf keinen Fall Nein lauten sollte.

Heathers Gedanken rotierten. Wenn in der Abteilung irgendjemand etwas mitbekommen hätte, dann hätte sie Wind davon bekommen. Oft hatte John sie selbst informiert. Aber nicht diesmal. Verdammt John, dachte sie, was hast du da wieder Geniales ausgeheckt?

»Mehr als einen Hoffnungsschimmer kann ich ihnen nicht anbieten. Wenn es in dieser Abteilung jemand gewusst hätte, dann hätte auch ich davon erfahren.«

Heather wurde barsch von Thompson unterbrochen.

»Sie wollen mir gerade erzählen, dass sie normalerweise über seine inoffiziellen Projekte informiert waren? Verstehe ich das richtig? Das sie diese auch noch geduldet haben? Denn soweit ich mich erinnere, habe ich keine Berichte von Ihnen über Irregularitäten erhalten.«

Das war nun auch für Jesse zu viel.

»General, dafür trage ich die Verantwortung!«

»Dazu kommen wir später.« war die wenig verheissungsvolle Antwort des Generals.

»General, Sir, darf ich sie fragen, ob sie über Projektrichtlinien oder über Möglichkeiten diskutieren wollen?« warf Heather ein. Was hatte sie zu verlieren? Sie musste sich nicht alles bieten lassen. Sollte er sich doch entscheiden, wie er wollte. Sie würde sich nicht weiter einschüchtern lassen.

Thompson schien das auch gemerkt zu haben. Insbesondere, weil sie ihn etwas aus dem Konzept gebracht hatte.

»Richtig. Eins nach dem Anderen. Erzählen sie von ihren Möglichkeiten. Mit Hoffnungsschimmer. Nur zu!«

»Die Einzigen die noch Kontakt zu John gehabt hatten, waren seine Entführer. Es ist vielleicht nicht sehr wahrscheinlich, aber möglicherweise wissen diese Leute etwas, dass wir nicht wissen.

Ich würde daher vorschlagen, wir konzentrieren uns darauf die Entführer zu finden, dingfest zu machen und zu schauen, ob wir noch irgendwelche Informationen bekommen können.

In Umfeld dieser ganzen Geschichte fallen mir einige Anomalien auf. Zum Beispiel die Nano-Seuche, die der Bug bei John identifiziert hat. Keines der gesicherten Beweismittel wies Nanos auf. Der Typ der Nanos konnte auch nicht bestimmt werden.

Und dann konnte John nicht mehr laufen. Soweit das erkennbar war. Wie also ist er dort hingekommen? Der Kommunikationsausfall mit dem Bug kurz vor Johns Tod ist da fast schon nebensächlich.

Es gibt, wie ich ausführen will, ein paar interessante Spuren, denen wir nachgehen können. Falls sie meinen, das wäre es wert.«

»Sie bieten mir also eine Handvoll Nichts an. Nur um ihren Kragen zu retten?« war die Antwort von Thompson. Besser hätte es Heather auch nicht formulieren können.

»Sagen wir so …« entgegnete sie »Das ist alles was wir haben. Was wir nicht haben wissen wir. Und wenn sie jetzt lieber bei den Projektrichtlinien weitermachen wollen, dann können wir das Thema ja als erledigt betrachten.«

Langsam stahl sich so etwas wie Respekt in den Blick von Thompson. Er mochte keine Arschkriecher. Davon war er ständig umgeben. Und diese Heather Bolding versuchte wenigstens das Beste aus der Situation zu machen. Vor allem liess sie sich nicht einschüchtern.

»Es wird einen Untersuchungsausschuss geben, dass ist ihnen beiden klar. Ich kann ihnen und ihrer Abteilung im günstigsten Fall vier Wochen verschaffen. Bis dahin können sie sich auf die Jagd nach Johns Geheimnis machen. Und vielleicht aus dieser Handvoll Spekulationen etwas mehr machen, als wir jetzt haben.

Und finden sie heraus, was dieser CERBERUS alles konnte, als er aktiv war. Ich würde es so sehen, dass wir einen Schritt weiter sind. Wenn wir wissen, dass es funktioniert hat. Denn was man einmal geschafft hat, kann man wiederholen!

Unabhängig von dem Ausschuss möchte ich das sie weitermachen. Lassen sie einen neuen CERBERUS bauen. Und besorgen sie einen Ersatz für John.«

Mit diesen Worten erhob sich Thompson, nickte ihnen kurz zu und ehe sie sich versahen, war er verschwunden. Weder Jesse noch Heather wussten, welches Gefühl sie im Moment hatten. Erleichterung oder eher das Gegenteil? Nichts oder doppelte Ration? Was war das jetzt?

Egal. Sie hatten etwas Zeit. Heather gedachte nicht, diese Zeit zu vertrödeln. Eben fragte sich Heather noch, ob sie Jesse von ihrem Verdacht erzählen sollte, als sie sich zu ihrem eigenen Erstaunen schon reden hörte.

»Jesse … ich hab da ein ungutes Gefühl. Das passt alles nicht zusammen. Oder es passt zu gut zusammen. Wie man das auch immer sehen will. CERBERUS angeblich tot. John angeblich tot. Keinerlei brauchbare Beweise.

Irgendetwas sagt mir, entgegen jeder Vernunft, dass hier etwas nicht stimmt! Das wir glauben sollen, dass es so ist wie es scheint. Nennen sie es von mir aus Instinkt …«

»Schön.« meinte Jesse.

»Was soll ich jetzt damit anfangen? Finden sie heraus, ob mehr daran ist, als es scheint. Finden sie überhaupt heraus, was passiert ist. Und geben sie mir Fakten, mit denen ich was anfangen kann. Wir sind ja hier nicht bei einem Philosophie-Kaffeekränzchen.«

Was hatte Heather auch anderes erwartet. Wenn ihr Mund nicht schneller als ihr Gehirn gewesen wäre. Wenn, schon wieder wenn und aber. Sie war eindeutig überarbeitet. Auch Jesse schien das zu merken.

»Und gehen sie nach Hause. Ruhen sie sich aus. Verarbeiten sie das alles so gut es geht. In der kurzen Zeit. Ich brauche sie. Und zwar fit, leistungsfähig und nicht auf dem Zahnfleisch kriechend. Haben wir uns verstanden?«

»Ja, Sir« war alles was Heather noch entgegnen konnte. Bevor sie das Büro verliess. Vor der Tür straffte sie ihre Schultern und ging dann gemächlich durch die Gänge in ihr Büro. Stolz erhobenen Hauptes. Wenn die Hyänen erst Blut witterten, dann war man schneller weg, als man dachte. Nur keine Blösse geben. Nur nicht den Eindruck erwecken, man wäre schwach. Oder angeschlagen.

Nachhause gehen. Ja sicher. Einfach nichts tun. Aber bevor sie so weit war musste sie noch ein paar Sachen untersuchen. Auf ihrem Laptop waren bereits die Ergebnisse der Forensik. Nun, es waren John Haare und auch die Kleidungsfetzen wiesen noch Hautpartikel von John auf. Doch was nicht passte war das Verbrennungsmuster. Das war kein Flammenwerfer eines BomberBugs. Erst recht keine Antipersonen-Mine. Eher hatte hier jemand mit einem Sturmfeuerzeug herumgespielt.

Also liess Heather einige Bugs um den Krater kreisen und das ganze Gebiet mit allem zu analysieren was zur Verfügung stand. Infrarot brachte nur noch schwach ihre eigenen Spuren ans Tageslicht. Was überhaupt nicht weiterhalf. Die Verstärkung des Reliefs brachte hingegen mehrere alte Fahrzeugspuren hervor. Immer wieder unterbrochen von anderen Spuren, Verwehungen.

Egal ob John laufen konnte oder nicht. Irgendjemand musste dort gewesen sein. Und John oder eine Attrappe oder was auch immer dort ausgesetzt haben. Samt dem Ausweis und den Haaren. Sie würde all diesen Spuren folgen müssen.

Aber eine würde in die richtige Richtung führen …

Share
Zugriffe: 184